Offener Brief: Kindgerechten Unterricht an den Grundschulen dauerhaft und sicher ermöglichen

Erstellt von Svetlana Berger | | Information

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Dr. Söder,

sehr geehrter Herr Kultusminister Prof. Piazolo,

das Thema Schulschließungen wird kontrovers diskutiert. Andreas Schleicher, der Verantwortliche für die internationalen Pisa-Studien, sprach sich für die baldige Öffnung der Grundschulen und Kindergärten aus. Auch der Bayerische Elternverband sieht hier ein dringendes Bedürfnis, ohne die Notwendigkeit des Gesundheitsschutzes der Gesellschaft infrage zu stellen. Ferner benötigen Familien eine Perspektive und klare Konzepte, wie das Schuljahr weitergeht.

Dem bayerischen Kultusministerium ist die besondere Problematik der Grundschulkinder in der Pandemie bewusst. Es hat auf die Stellungnahme der DGPI verwiesen (Quelle: https://dgpi.de/stellungnahme-dgpi-dgkh-rolle-von-schulen-kitas-in-der-covid-19-pandemie), die nach wie vor die Schließung der Schulen, vor allem für Kinder bis 10 Jahren, nicht empfiehlt: „Für Kinder sind Schulen und KiTa systemrelevant, denn sie treffen im Kern ihre sozialen und intellektuellen Grundbedürfnisse und bestimmen ihre Entwicklung.“

Lange Schulschließungen können Kinder in ihrer Entwicklung beeinträchtigen. Sie stehen durch die Pandemie unter Dauerstress. Besonders die jüngeren Kinder in Kindergarten und Grundschule, aber auch die 5.- und 6.-Klässler benötigen für ihre Entwicklung Struktur und Sicherheit. Sonst sinkt die Motivation und die Beziehung zur Lehrkraft leidet. Aus der Hattie-Studie wissen wir aber, dass gerade im Bereich Grundschule diese beide Faktoren am wichtigsten sind. Sie werden bei den Jüngeren nur über einen direkten Kontakt (in Präsenz) gewährleistet. Hinzu kommt, dass gerade die unteren Jahrgangsstufen noch nicht selbstständig lernen, lesen oder technische Geräte bedienen können. Die Kinder sind in diesem Alter auch noch nicht ausreichend emotional gefestigt, um mit den häufigen Beziehungsabbrüchen zu Freunden und Betreuungspersonen zurechtzukommen.

An ihre äußerste Grenze stößt mittlerweile die enorme Doppelbelastung von uns Eltern. Unter den Bedingungen von Distanz- oder Wechselunterricht werden wir regelrecht verschlissen. Weder den Bedürfnissen der Kinder noch unseren eigenen oder denen des Arbeitgebers werden wir so gerecht und landen früher oder später in einer emotionalen Krise, vielleicht in einem Burnout.

Unsere Forderungen

  1. Wir fordern mehr Autonomie für die einzelnen Grundschulen: Solange innerhalb der Schule keine Infektionen auftreten, sollen sie trotz angeordneter grundsätzlicher Schulschließung selbst entscheiden können, ob sie in kleinen Klassen Wechsel- oder gar Präsenzunterricht durchführen. Dies haben auch einige Lehrerverbände gefordert.

  2. Um Schulen zu sicheren Orten zu machen, wurden bereits Hygienekonzepte erstellt und umgesetzt. Darüber hinaus müssen Luftfilter- oder Lüftungsgeräte und Plexiglaswände angeschafft werden; viele Eltern an den Schulen in Bayern sind bereit, letztere hierbei zu unterstützen.

  3. Wir fordern, endlich die aus Schulen und anderen Einrichtungen vorliegenden Daten zu Infektionen bei und durch Kinder und Jugendliche auszuwerten. Diese Ergebnisse sowie pädagogische und entwicklungspsychologische Expertise müssen ebenfalls in die Entscheidungen einbezogen werden. Letztere dürfen nicht länger ausschließlich aufgrund medizinischer Erkenntnisse getroffen werden.

Wir brauchen ein Konzept, das eine längerfristige Planung des Schulbetriebs ermöglicht.

Mit freundlichen Grüßen
Svetlana Berger
Sachgebiet Grundschule des Bayerischen Elternverbands e. V.

 

Autoren:
Svetlana Berger (Mitglied des BEV Landesvorstands, Sachgebietsleitung Grundschule)
Georg Niederschweiberer (Mitglied des BEV Landesvorstands)
Johanna Wolf (aktives Mitglied im BEV)
Henrike Paede (stellvertretende Landesvorsitzende des BEV)