Offener Brief: Forderungen des Bayerischen Elternverbands zu Abschlussprüfungen, Übertritt und Vorrücken

Erstellt von Martin Löwe | | Information

Sehr geehrter Herr Kultusminister Professor Piazolo,

seit fast einem Jahr kann Schule nicht mehr unter normalen Bedingungen arbeiten. Immer wieder muss auf Distanz- oder Wechselunterricht ausgewichen werden. Unter diesen Bedingungen haben nicht alle Schülerinnen und Schüler dieselben Bildungschancen. Die unterschiedliche technische Ausstattung sowohl von Schulen als auch von Haushalten, besondere familiäre und soziale Bedingungen, die Unterstützung zuhause, unterschiedliche Dauer des Wechsel- oder Distanzunterrichts und von Quarantäne schaffen stark voneinander abweichende Voraussetzungen.

Unter solchen Unterschieden erhobene Leistungsnachweise und Noten sind in keiner Weise vergleichbar. Auch die Fülle der vorgenommenen Anpassungen von Vorgaben durch Ihr Ministerium haben dies nicht ändern können. Um gleiche Chancen für alle Schülerinnen und Schüler zu schaffen, muss man daher jetzt für Übergänge, wo Bewertungen eine entscheidende Rolle spielen, andere Verfahren anwenden. Dies betrifft alle Abschlussprüfungen, den Übertritt an eine weiterführende Schule und das Vorrücken in die nächste Jahrgangsstufe.

Der Bayerische Elternverband erhebt daher folgende Forderungen:

  1. Die erreichten Noten werden nicht mehr als Kriterien für das Vorrücken und den Übertritt herangezogen. Beides wird ab sofort nach individueller Sicht auf die grundsätzliche Eignung der Schülerinnen und Schüler in einem Gespräch zwischen Lehrkraft und Erziehungsberechtigten erörtert und gemeinsam beschlossen.

  2. Für alle Abschlussprüfungen wird ein „Freischuss“ eingeräumt.

  3. „Neutrales“ Schuljahr: Ein notwendiges zusätzliches oder freiwillig wiederholtes Schuljahr wird nicht auf die Höchstdauer der Schulzeit bzw. auf die Gesamtdauer der Ausbildung angerechnet.

  4. Bei Wiedereinsetzen des Präsenzunterrichts werden erst nach einer Übergangsfrist von 2 Wochen Leistungserhebungen durchgeführt, danach wird die Zahl von zwei schriftlichen Leistungsnachweisen pro Woche nicht überschritten.

  5. Die vorgeschriebene Anzahl von schriftlichen Leistungsnachweisen wird zum Richtwert herabgestuft.

Wir halten es für entscheidend, dass nach einem Jahr voller Aufregung um den Unterricht und um die Bildungsergebnisse nun Entspannung und Ruhe in die Familien und in das Lernen kommen. Eltern, Schülerinnen und Schüler und Lehrkräfte sollen nicht weitere Kraft und Zeit mit Ängsten und Unsicherheit vergeuden. Der Unterricht - egal, ob in der Schule oder auf Distanz - soll nun möglichst kreativ gestaltet werden, verpflichtend, aber ohne Druck. Motivation und Freude sollen in den Vordergrund treten. Guter, nachhaltiger und "gründlicher" Unterricht ohne Eile muss wieder zum Alltag werden!

Für Fragen stehen wir gerne zur Verfügung!

Mit freundlichen Grüßen
Martin Löwe
Landesvorsitzender des Bayerischen Elternverbands e. V. (BEV)